Sobotta Lehrbuch Anatomie, 1. Auflage 2015
Waschke/Böcker/Paulsen
ISBN-10: 3437440802
ISBN-13: 978-3437440809
Elsevier, 2015, 848 Seiten
Das neue Anatomie Lehrbuch vom Elsevier Verlag ist jetzt brandneu auf dem Markt und soll nun – so scheint es – ein Alternativprodukt zur „Dualen Reihe Anatomie“ von Thieme sein.
Besonders an diesem Buch: Unser allseits bekannter Prof. Dr. Bernhard Hirt hat hierbei ebenfalls mitgewirkt!
Das Buch erscheint in der 1.Auflage gleich als Hardcover-Edition, was von Vorteil ist, wenn man das Buch im Rucksack mitnehmen möchte. Außerdem ist es so langlebiger und fällt nicht allmählich auseinander.
In dieser Rezension gehe ich auch ein wenig auf die mir aufgefallenen Unterschiede dieses Anatomie-Grundwerks zur bereits oben erwähnten „Dualen Reihe“ ein.
Die Versprechungen dieses Lehrbuchs waren im Vorfeld sehr hoch: Es sollte ein Lehrbuch sein, welches die komplette Anatomie abdeckt und somit auch ein zusätzliches Neuroanatomie-Buch überflüssig macht – dazu später mehr.
Als Zielgruppe kann man ganz klar die Humanmediziner sehen wobei, der Kopf-Hals Teil des Buches sehr ausführlich beschrieben ist und sich somit auch sehr gut für Zahnmediziner eignet wie ich finde. Darüberhinaus sind die Bilder in diesem Lehrbuch erstklassig – die Bilder aus den bekannten Sobotta Atlanten wurden verwendet und um einige neuere plastischere Bilder ähnlich denen des Prometheus ergänzt. Generell ist das Layout des Buches schön gestaltet und es macht Spaß damit zu arbeiten und sich mit dem Fach zu befassen. Das Auge lernt ja schließlich mit 😉
Das Buch besteht aus vier großen Kapiteln: Allgemeine Anatomie & Embryologie, Innere Organe, Kopf-Hals, Neuroanatomie. Diese gliedern sich wiederum in Unterkapitel.
Die Unterkapitel sind so aufgebaut, dass mit einem klinischen Fall begonnen wird und auch ein wenig auf Untersuchungsmethoden und weiterführende Diagnostik eingegangen wird – der Einstieg gestaltet sich so zu Beginn der jeweiligen Thematik ganz nett.
Wie schon erwähnt sich die Bilder in diesem Buch erstklassig und erleichtern das Lernen immens und schwierige Themen werden dadurch verständlicher. Was etwas zu kurz kommt ist wie immer die Topographie – jedoch wird diese ebenfalls nicht in aller Ausführlichkeit in der Dualen Reihe behandelt. Für das Verständnis um die Topographie ist und bleibt der Präpkurs das beste Lehrmittel.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass dadurch, dass die Neuroanatomie hier ein Extrakapitel darstellt, die nervalen Bezüge zu den jeweiligen Organen im Kapitel „Innere Organe“ etwas kürzer gefasst sind und die ausführlichen Bezüge so im Kapitel der Neuroanatomie zu suchen sind. Hier hätte ich mir gewünscht die gesamte für das Organ relevante nervale Innervation mit Erklärungen gleich mitzulernen und nicht erst später in der Neuroanatomie nochmals aufzugreifen.
Zur Neuroanatomie ist zu sagen, dass der Gedanke der Autoren gut war endlich ein Anat
omie-Werk zu schaffen, welches auch den relevanten Neuro-Stoff abdeckt. Ich denke jedoch, dass das Neuro-Kapitel noch ein wenig überarbeitet und ergänzt werden muss, damit tatsächlich ein zusätzliches Neuroanatomie Buch überflüssig wird. Es ergibt sich dennoch ein solides Gesamtbild zu einem doch recht komplexen Thema, was auch nicht jedes Buch zu vermitteln mag – hier kann das Buch klar die Duale Reihe übertrumpfen!
Es ist zu sagen, dass in Tübingen prinzipiell kein extra Neuroanatomie-Buch von Nöten ist, um erfolgreich durch das 4.Semester zu kommen – für Interessierte geht jedoch dieser Teil nicht genug in die Tiefe.
Klinische Themen werden hier häufig aufgegriffen. Mir persönlich sind jedoch einige Krankheitsbilder aufgefallen, die nicht wie in der Dualen Reihe erwähnt wurden – dafür wiederum andere die in Dualen Reihe nicht zu finden sind. Beim Lernen bleiben durch die Klinikverweise an den richtigen Stellen die anatomischen Fakten jedenfalls gut hängen und ein vernetztes Denken und Lernen kann gut zustande kommen. Einziges Manko hierbei: Die Bilder zu den klinischen Bezügen. Leider sind die „Klinik-Boxen“ nicht bebildert und es gibt keine Exkurse zu Röntgen-, CT- oder MRT-Bildern in den jeweiligen Kapiteln. Abwechslung bringen hingegen an manchen Stellen histologische Bilder oder elektronenmikroskopische Aufnahmen beispielsweiße in der Embryologie, welche in diesem Buch für meinen Geschmack einen guten Umfang hat und den Studenten nicht gleich erschlägt. Das Verständnis über die Embryologie wird hier sehr gut vermittelt.
Des Weiteren ist zu erwähnen, dass Liebhaber von anatomischen Eigennamen voll auf ihre Kosten kommen: Diese sind nämlich – so glaube ich – alle in diesem Buch aufgeführt und durch Großbuchstaben hervorgehoben, sodass diese besser im Gedächtnis bleiben.
Zur Auswahl der Inhalte ist generell auch zu sagen, dass diese die aktuellste Relevanz haben und an den neuen „Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog der Medizin“ (NKLM) angepasst sind.
Darüberhinaus beinhaltet das Buch einen Online-Zugang, mit welchem man jederzeit online Zugang zu einer digitalen Version des Buches hat, falls man es mal nicht mit in die Bibliothek schleppen möchte.
Fazit: Das neue Lehrbuch vom Elsevier Verlag stellt eine solide Alternative zur Dualen Reihe dar, an einigen Stellen kann sicherlich noch daran gefeilt werden – jedoch eignet es sich super für den Einstieg und für ein interdisziplinäres Denken durch die Einstiege zu Beginn der Kapitel sowie die klinischen Fälle, welche in kleinen Klinikboxen aufgegriffen werden. Die deutlich geringere Seitenzahl im Vergleich zur Dualen Reihe kommt sicherlich dadurch zustande, dass hier bewusst auf zu viel Extrainformation verzichtet wurde, um den Studenten nicht zu erschlagen. Die alten Sobotta-Bilder, sowie die neu ergänzten Bilder geben dem Buch ein solide Grundlage für ein gutes Verständnis beim erstmaligen Lernen. Ich denke dennoch das man sich zu diesem Lehrbuch unbedingt Anatomie Atlanten anschaffen sollte – vor allem für das Lernen des Bewegungsapparats. Für mich persönlich hat das Zusammenspiel beim Lernen so doppelt gut funktioniert.
Man darf sicherlich auf die zweite Auflage gespannt sein – das Konzept stimmt jedenfalls!
Ich gebe dem Buch 4 Sterne.